Als ich das erste Mal als Schutzhaftgefangene in der Barnimstraße in den sog. Lazaretthof zur Freistunde hinunterging, fand ich dort eine Dame von üppiger Gestalt, in feiner Kleidung, an den Fingern u. am Busen einen kleinen Juwelierladen, der bei jeder ihrer Bewegungen funkelte. Mürrisch, mit verkniffenem Munde und gefurchter Stirn, lief sie rastlos in dem kleinen Hof immer im Kreise; die Blicke auf den Boden geheftet, mit den lauten, klopfenden Schritten ihrer hochmodernen Stelzpantoffelchen gleichsam gegen die bittere Ungerechtigkeit der Welt und der Militärbehörde protestierend. Als sie meiner unscheinbaren Person ansichtig ward, betrachtete sie mich eine Zeitlang mit kurzsichtig zusammengekniffenen Augen, stellte sich dann doch vor u. klagte sofort laut ihr Leid.
Rosa Luxemburg an Hanna-Elsbeth Stühmer